Von 1934-1937 war ich nebenbei Leiter eines von mir gegründeten politischen Cabarets. [1]
Literarisch-politisches Kabarett und literarische Kleinkunst der 30er Jahre
Der Begriff "Kleinkunst" wurde in den 30er Jahren bewusst eingesetzt, um sich von den reinen Amüsierbetrieben der Cabaret-Etablissements und Revue-Theater abzugrenzen.
Stella Kadmon eröffnete 1931 im Souterrain des Café Prückel den "Lieben Augustin" als literarisches Cabaret. Ihr zur Seite standen Peter Hammerschlag als Autor, Alex Szekely als Zeichner und Fritz Spielmann als Komponist und Pianist.
[...]
Die politisch schärfste Kleinkunstbühne Wiens war das "ABC" ("Brettl am Alsergrund" im Café City, Porzellangasse 1), das 1934 eröffnet wurde. www.kabarettarchiv.at/Ordner/geschichte.htm#30er
Im Café City im 9. Bezirk wurde 1934 auf Initiative des damaligen Besitzers von Rudolf Beer, Ernst Hagen, Paul Retzer, Hans Sklenka, Erich Pohlmann, Franz Böheim und Oskar Wegrostek gemeinsam das Brettl im Alsergrund gegründet. Aufgeführt wurden Texte von Kurt Breuer und Hugo Wiener.
Im November 1934 übernahm Hans Margulies, Gerichtsberichterstatter der Wiener Zeitung Tag, die künstlerische Leitung. Das Kabarett wurde zu "ABC" – A(lsergrund) B(rettl) C(ity) – umbenannt und entwickelte sich rasch zum politisch schärfsten im Wien der 30er-Jahre.
Im Juni 1935 übersiedelte das Ensemble in die Räume des dortigen Kabaretts Regenbogen im Café Arkaden und fusionierte mit diesem zum "ABC im Regenbogen".
www.kinthetop.at/forschung/kinthetop_1_ABC_Regenbogen_Detail01.html
Regisseure des Kabaretts waren u. a. Leo Askenasy, Fritz Eckhardt, Herbert Berghof und Rudolf Steinbock, der 1936 zum künstlerischen Leiter des Ensembles wurde.
Das 13. Programm, das von 6. Mai bis 11. Juli 1936 gezeigt wurde, trug den Titel Zwischen Himmel und Erde und brachte als Mittelstück* Soyfers Der Weltuntergang, oder Die Welt steht auf kein' Fall mehr lang. Unter Steinboecks Leitung folgten in den kommenden Monaten weitere Stücke von Soyfer: Astoria, Vineta und Kolumbus. Neben Jura Soyfer zählten zu den weiteren Autoren des Kabaretts u. a. Fritz Eckhardt, Peter Hammerschlag, Gerhart Hermann Mostar, Hugo F. Koenigsgarten und Hans Weigel.
Zu den hier tätigen Schauspielern zählten Leo Askenasy, Herbert Berghof, Franz Böheim, Theo Frisch-Gerlach, Rudolf Klein-Lörk, Cissy Kraner, Robert Lindner, Eduard Linkers, Kitty Mattern, Maria Norden, Josef Meinrad, Lilli Palmer, Peter Preses, Illa Rautnitz, Hans Sklenka und Willi Trebitsch.
www.kinthetop.at/forschung/kinthetop_1_ABC_Regenbogen_Detail01.html
* Die Mittelstücke Jura Soyfers mögen, ebenso wie die Hans Weigels, einer interessierten Minderheit an Theaterbesuchern noch ein Begriff sein, die meisten Autoren der Mittelstücke – wie Mostar, Metzl oder Königsgarten – sind aber längst in Vergessenheit geraten. So wie ihre Autoren stehen die Mittelstücke stellvertretend für ein Theater des Untergrunds, das nur in den Souterrainlokalen einiger Kaffeehäuser für kurze Zeit überleben konnte. [4, p.108]
Da die ersten drei Programme des "ABC" von der Öffentlichkeit – und auch von der Konkurrenz – kaum bemerkt und wenig ernst genommen worden waren, entstand vielfach die historisch irrige Meinung, daß Hans Margulies der Gründer dieser Kleinkunstbühne gewesen sei. Tiefer gesehen war er freilich doch ein "Begründer, denn Hans Margulies gab einem bis dahin farblosen Kabarett erst das Gesicht. [2, p.229]Obwohl ich meine, Hans habe die Situation in seinen CV etwas übertrieben ("eines von mir gegründeten politischen Cabarets"), er hat es ganz eindeutig bekannt gemacht.
Da in dieser Kleinkunstbühne auf Teilung gespielt wurde, bedeutete ein schlechter Verkauf auch große finanziellen Einbußen für alle Mitwirkenden. Der Verkauf der ABC war nie berauschend, aber ab dem 17. Programm waren die Verkaufszahlen katostrophal. [...] Auch im 20. Programm stellte sich keine Verbesserung ein und Hans Margulies trat als künstlerischer Leiter zurück. [4, p.43]
Hans Margulies, der sich schon länge nur noch mit halben Herzen um den Betrieb gekümmert hatte, trat endgültig zurück. [...] Da leider auch das Reprisenprogramm des Sommers seht schlecht besucht war, wurde - wie in Urzeiten - auf Teilung gespielt. Doch wie teilt man Minimaleinnahmen von 20 Schilling und darunter ? [2, p.59]
Weiterhin hielt er sich mit dem Komponieren und Texten von Schlagern, Wiener Lieder, Tangos und Foxtrotts über Wasser. Seeber: "Asyl wider Willen"[5]Da sein Name zu "jüdisch" klang, hat er viele Pseudonymen benutzt - Jimmy Berg, Otto Forst-Berg, Helmut Raabe u.v.a. Nach dem Anschluß ist er über die Schweiz und Großbritannien in den U.S.A. gefluchtet.
"I am in a hell of a fix,Mehr… : http://www.kabarettarchiv.at/Bio/Berg_Jimmy.htm
weil i deutsch und English vermix." Jimmy Berg, 1976
Im ABC war der Zensor des subversiven Rufs der Bühne wegen ziemlich unangenehm, und hier kam es auch, zumindest zeitweise, zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Soyfer und der Leitung. Als Jura 1935 in ABC anfing, war Hans Margulies Direktor. Margulies, Sozialdemokrat, wesentlich älter als Soyfer, wollte wie Steinböck erzählt, "Jura mit der zeit den jügendlichen Überschwang, das heißt, den Extremismus, abgewöhnen". Diese Zähmungsversuche waren wohl nicht nur der diplomatischen Klugheit des "Reiferen" und Verantwortlichen zuzuschreiben, sie waren auch politisch gefärbt - und nicht auf Soyfer beschränkt. Peter Sturm schreibt:Jarka: Jura SoyferIch hatte mit ihm [Margulies] mehrmals politischen Differenzen, und er sagte mir wörtlich, er habe nicht die Absicht, die Existenz des ABC wegen eines kleinen Häufleins Radikaler (damit meinte er die gesamte illegale KPÖ) aufs Spiel zu setzen. Aber er war natürlich ein Linker, sonst hätter er so ein Unternehmen gar nicht ins Leben gerufen. Ich erinnere mich nicht an politische Auseiandersetzungen von ihm mit Jura, aber wie ich beide kannte, werden sie wohl unvermeidlich gewesen sein.
Auf einer riesigen Staffelei malte und zeichnete ein Blitzzeichner zwischen und auch während der Nummern die jeweiligen Dekoration. [...] In den ersten Spieljahren jedoch zeichnete der "kleine Maler Alex Szekely flott und unbekummert seine aktuellen und bissigen Karikaturen an die große Tafel".[3] [...] Im Augustin" bot man literarische, musikalische und zeichnerische Improvisation, "Blitzen" auf Zuruf des Publikums nannte man das. [...] Der Blitzzeichner Alex Szekely zeichnete auf Zuruf des Publikums mit vehementer Geschwindigkeit jedes gewünschte Thema. [2, p.35ff]
Alles sieht der Konkurrenz zum Verwechseln ähnlich. Das geht sogar so weit, daß Alex Szekely, der Blitzzeichner des "Lieben Augustins" gleichfalls im "ABC" aufscheint und hier die überlegenheit des Blitzzeichner gegenüber der veralteten Technik des Schnellphotographen zum besten gibt. [2, p.229]
Mein lieber Direktor, Hanns Margulies um 0h.50 nachdem er mir einen Vorschuß gab
Szekely ABC '34
Der Gerichtssaalberichterstatter des Wiener Tag, Hans Margulies, lud mich ein, mit ihm eine Vorstellung des Cabaretts ABC zu besuchen.
- "Na?", fragt er.
- "Prima!" antwortete ich.
- "Wollen Sie für das nächste Programm die Bühnenbilder machen?"
- "Natürlich, aber ich kenne doch hier niemanden."
- "Doch, Sie kennen den künstlerischen Leiter".
- "Woher denn ?".
- "Er sitzt neben Ihnen. Ich leite das Ganze. Ich werde Ihnen gleich unserer Hausdichter vorstellen. Er heisst Jura Soyfer".
- "Das wird mich sehr freuen. Wir sind Freunde."
So wurde ich Bühnenbildner und hatte die große Genugtuung, mit Jura zusammen zu arbeiten, der im "ABC" mit seinen Sketches, Songs, Chansons und Revuen wie dem "Weltuntergang" (dessen Dekoration ich ausführte) großen Beifall erntete. Arlt, Kaiser, Scheit: Die Welt des Jura Soyfers
Ich kannte Hans Margulies, den Gerichtsberichterstatter des Wiener Tag, nur ganz flüchtig und war daher erstaunt, als er mich eines Tages zu einer Vorstellung des ABC einlud. Das ABC war eine Kleinkunstbühne im Keller des Café Arkaden, in der sich junge Schauspieler, vor allem im Form kurzer, satirischer Szenen und Chansons, mit Problemen der Zeit auseinandersetzten. Nach der Vorstellung wollte er meine Meining darüber wissen. "Ich persönlich bin begeistert, aber ich nehme an, daß das für Sie zu modern ist". Er lachte: "Sicher nicht! Ich bin der künstlerische Leiter desSpäter benutzte er seine zeichnerischen Talente, um Päße und Dokumente zu verfäschen, damit Nazi-Verfolgten auch fluchten konnten. Er musste ins Konzentrationslager, wo er nur knapp überlebt.ABC… (velegenes Lächeln meinerseits). Ich könnte mir vorstellen, da ich Ihre Zeichnungen im Sonntag kenne, daß Ihnen Spaß machen würde, hier als Bühnenbildner mitzutun !?"
Natürlich machte mir die Aussicht Spaß, ein, wenn auch zahlenmäßig auf 49 Besucher beschränktes Publikum zu unterhalten, wo es sich doch um kein "beschränktes" Publikum handelte. Daß ich von der Kleinkunst leben könnte, erwartete ich nicht. Ich konnte mich bereits vom Journalismus ernähren und ging daher mit Freude auf dieses Angebot ein. Spira, Kaiser: Die Legende vom Zeichner
Rudolf Beer, Ernst Hagen, Paul Retzer, Hans Sklenka, Erich Pohlmann, Franz Böheim, Oskar Wegrostek gründeten auf Vorschlag des Besitzers des Café City die Kleinkunstbühne "Brettl am Alsergrund" und brachten Texte von Kurt Breuer und Hugo Wiener zur Aufführung. Im November übernahm der Gerichtsberichterstatter der Zeitung "Tag", Hans Margulies, die künstlerische Leitung. Das Kabarett hieß nun "ABC" (Alsergrund, Brettl, City) und gilt als das politisch schärfste in den 30er-Jahren. Juni 1935 übersiedelte es in die Räume des Kabaretts "Regenbogen" im Café Arkaden und hieß nun eine Zeit lang "ABC im Regenbogen". www.literaturepochen.at/exil/lectureelement_6304.html
Gustl Goldmann, owner of the 'Café City', in the Porzellangasse1, Wien IX, wanted to stage floorshows and cabaret (Brettl) in his café, so he allowed people to use a room in the first floor. The first show in the "Brettl am Alsergrund" was on 25th. March, 1934. The cabaret had a modest success, but was nor very well known. It probably didn't help, that the name was changed at some time to 'Das ABC', (Alsergrund, Brettl, City.
It really acquired a format when Hans Margulies, an editor from the 'Tag' took over the artistic direction in November 1934, and Karl Forest from the Volkstheatrer, stage-managed the fourth season's programme, 'Das steht in keinem Lexikon' (That's not in any Dictionary !'). [2, p.57]
In dem Brief an Friedrich Torberg berichtet der Freund [Peter Hammerschlag] von diversen Frauenbekanntschaften und seinen erfolglosen Versuchen, mit Briefen und Gedichten ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Zu diesen Bekanntschaften zählte auch Herma Vitas, »wohlbestallte Gauklerin bei Margulies«. Hans Margulies war Gerichtsberichterstatter der Wiener Zeitung »Tag« und übernahm im November 1934 die künstlerische Leitung des im März 1934 im Café City eröffneten Kabaretts »ABC« (Wien IX; Mitte 1935 übersiedelte die Kleinkunstbühne ins Café Arkaden in den ersten Bezirk). www.onb.ac.at/sichtungen/berichte/kiegler-griensteidl-m-1a.html
jungen und so begabten Künstler von Programm zu Programm. Eigenwillige und beachtenswerte Kräfte haben sich ihre besondere und dabei überaus amüsante Ausdrucksform geschaffen. Das neue Programm ist ausgezeichnet. Einzelne Szenen wie ‘Othello auf Reisen’ und ‘Die Ballade vom Zehngroschentarif’ zeigen, daß man geistreich unterhalten kann, ohne allzu angriffslustig zu sein. Der Song ‘Nicht vergessen’ hinterläßt bleibenden Eindruck. Reizend fügen sich die originellen Bühnenbilder von Emil Wittenberg in ein Spiel, das an die besten Zeiten des seligen Überbrettls erinnert. Auch die Darsteller können auf freundliche Nachsicht verzichten. Gerda Redlich, in einem Song und als Conference, stellt ihre große Kabarettbegabung neuerlich unter Beweis, Aenne Kagan, Gisy Kraner und Fritzi Schorr teilen sich mit den männlichen Darstellern Franz Westen und Eduard Kauzner in den Erfolg. Ein Extralob verdient Robert Klein-Lörk. Die Musik des jungen Jimmy Berg ist sehr talentiert. Das Echo, 19.12.1935, nach Nowotny[3]
[Das neue Programm im] ‘ABC’ im Regenbogen [, das mit] Phantasie und liebenswürdig- bissigem Witz abgewickelt wird. Eine Reihe aktueller Chansons, kleine musikalische Lustspielszenen - man könnte sie fast versketchte Chansonfolgen nennen - bringen Stimmung und Atmosphäre, aber durch die farbig-bunte Außenfassade erblickt man bereits die ernsten Hintergründe. Robert Klein-Lörk ist zumeist der Wortführer dieser Liebenswürdigkeiten. Sein ‘Lied auf der Höhenstraße’ (Walter West) und ein beschwörendes ‘Nie vergessen!’ (Jimmy Berg) zeigen ihn als Schauspieler von eigenem Profil. Aber auch das übrige Ensemble kommt, wirksam eingesetzt, gut zur Geltung. Man kann sich ein prägnanteres und flotteres Spiel als die Darstellung des außerordentlich originellen und geistvollen Sketchs ‘Die verzauberte Zeitung’ (Walter West und Fritz Tann) kaum denken. Dieser Zeitungssketch und die musikalische Parodie ‘Othello auf Reisen’ (Berg und West) wären beinahe die Höhepunkte des Abends, wenn nicht im dritten Teil die Wiener Theaterdirektoren in einem von Peter Hammerschlag verifizierten, bildmäßig glänzend karikierten ‘Zoo’ höchstpersönlich auf der Bühne des ‘ABC’ erschienen. Aenne Kagan, eine starke und charakteristische Begabung, die wienerisch-resche Gisy Kroner [!], Fritzi Scharr [!], ein urwüchsiges Volksstücktalent [...] sowie der Regisseur Teddy Bill, der Kapellmeister und Hauskomponist Jimmy Berg [...] und die aparte Conferencière Gerda Redlich wurden vom Publikum mit herzlichem Beifall akklamiert. Der Wiener Tag, 20.12.1935, nach Nowotny[3]